Hin und zurück (zu dir)

Sie kennen sich über gemeinsame Freunde, gehen spazieren, in der Sonne, es riecht nach Frühling. Er lächelt sie an, sie lächelt zurück. Beide mögen sie alte Filme, Städtetrips, salziges Popcorn, aber keinen Karneval. Was sie ihm nicht sagt, dass er sie an jemanden erinnert. Sie weiß, Erinnerungen kommen und gehen, mit Gefühlen ist es nicht anders. Wenn die Angst kommt, schubst sie sie weg. Auch die Erinnerungen. Liebe ist stärker, denkt sie.

Sie sehen sich beim Bouldern, bei gutem Wein und Jazz. Die Angst, sie ist leiser geworden. Er nimmt sie in die Arme. Sie küssen sich, aber es kribbelt nicht.

Er liegt neben ihr. Sie kann nicht schlafen. In ihr ist es zu still. Wo ist das Tohuwabohu? Das Gefühlsdonnerwetter, der Blitz, der einen unvorbereitet trifft, von Kopf bis Fuß durchschüttelt und einen verändert zurücklässt? Der Blitz, der Watte in den Kopf packt und das Herz leicht macht. So wie damals. Vor Jahren.

Er fragt, wann sie sich wiedersehen. Sie sagt, sie weiß es noch nicht, diese Woche ist viel los. Vor allem sind es Erinnerungen an den einen Bestimmten, die sie nicht mehr loslassen. Sie schiebt sie beiseite. Doch es dauert nicht lange, bis die inneren Bilder zu stark werden, sie geht gedanklich zurück und zweifelt. Was ist, wenn er der Eine ist? Längst das, was sie sucht, aber bei all den anderen nicht findet?

Sie schaut sich das einzige Foto an, das es von ihnen beiden gibt. Eine andere Zeit. Der Abend, an dem sie sich das erste Mal trafen, alles seinen Anfang nahm und sie es festhalten wollten für die Ewigkeit, als ob es bedeutend für alles Kommende in ihrer beider Leben wäre. Sie scrollt durch die gemeinsamen Chats. Sie kommen ihr wie gestern geschrieben vor, dabei sind sie uralt. Das Herz wird ihr schwer. Es gibt kein Zurück. Er ist über sie hinweg, das waren seine letzten Worte. Ihre, dass sie sich für ihn freue. Was sie meinte, bleib weg, such dir eine andere, mit mir stimmt was nicht.

Sie schreibt, sie freut sich, ihn morgen zu sehen. In der Hoffnung, dass das Kribbeln sich doch noch einstellt. Sie muss es sich nur ganz fest vornehmen. Er antwortet, dass er sich freut.

Er küsst sie innig, sie ist die Gleiche. Die Angst ist nicht da, darauf sollte sie hören. Er spricht über gemeinsames Verreisen, nach Rom soll es gehen. Die einzige Reise, die sie gerade machen möchte, ist in einen anderen Stadtteil. Hin zu dem einen, der ihr mehr als nur fehlt. So sehr, sie möchte ihm auch von der Angst erzählen.
Doch sie schämt sich, weil es nicht fair gegenüber Rom und einer Zukunft ohne Angst ist. Sie sagt, sie denkt darüber nach.

Tagelang sitzt sie zu Hause, läuft durch die Wohnung, das Handy in der Hand. Hin zu dem einen, zurück zu dem anderen. Warum war die Angst damals so groß? Wieso ist sie heute so klein? Weil auch die Liebe groß war. Sie wählt. Es kribbelt.

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TODESMUTIG


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